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Wahrheit ist überbewertet

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"Das war absolut wahr" sagte in einem Fernsehinterview sinngemäß der große Franz-Josef Wagner über sein Meisterwerk der Schlagzeilenschmiedekunst (aus dem Gedächtnis) "Erst dick, dann dünn, dann wieder dick, dann tot", und wahrscheinlich war das wahr.

Wahr ist auch das, was kürzlich die Bildzeitung fett an das Ende ihres Artikels über das neue Zentrum für islamische Theologie in Tübingen setzte:

Studentinnen des neuen Islam-Studiengangs dürfen übrigens mit Kopftuch in die Uni.

Wahr, weil schließlich alle Studentinnen der Universität Tübingen mit Kopftuch 'in' die Uni dürfen. ("Dictum de omni", für die Bildungsfans.)

Wahrheit hat ihre unbestreitbaren Vorzüge; zum Fetisch werden sollte sie jedoch nicht.

Selbstbewußt auch ohne akademischen Grad: Silvana Koch-Mehrin

Exklusiv: Interview mit Silvana Koch-Mehrin

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Vor einer guten Woche erkannte ihr die Heidelberger Universität den Doktorgrad ab, gestern wurde sie vom Europäischen Parlament als Vollmitglied in den Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie entsandt: Silvana Koch-Mehrin hat derzeit viel um die Ohren. Wir freuen uns, daß sie dennoch die Zeit zum Exklusivinterview mit mentalschnupfen.org gefunden hat.

Mentalschnupfen: Frau Koch-Mehrin, am 15. Juni ...

Silvana Koch-Mehrin: Das war ja klar, daß sie darauf gleich zu sprechen kommen würden, ohne auch nur ein Wort über meine neue Frisur zu verlieren.

MS: Die ist nett, aber wir haben sowas schon gesehen.

SKM: Das ist dann die Schuld des Friseurs. Aber gut, stellen sie schon ihre Fragen.
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Gebinde verschluckt

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Den Tisch defloriert, das Gebinde verschluckt.
Würgen, und Kratzen im wundigen Hals!

Warum habe ich das getan?

Wie weh sie mir tun, im Rachen, die Rosen,
Die roten und großen Erbarmungslosen!

Mußte das wirklich sein?

Am Pförtner vorbei in die siedendende Säure
Zwängt schorfend sich nun das Gebinde, das teure!

Was sollte das bloß?

Steißbein des Westens

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Steißbein des Westens,
Nach hinten hinaus,
Knorriger Knochen am Bosporus,
Wo Byzanz sich streckt gen Osten zum Kuß!

Steißbein des Westens am goldenen Horn!
Du sahst Barbarei, den Geist und den Zorn.

Steißbein des Westens,
Ich liebe Dich sehr,
Doch hätt ich auch Geld, ich bräuchte noch mehr.
Dich zu besuchen, das gibt es nicht her.

Wider geheuchelte Säkularität

Wider geheuchelte Säkularität published on 2 Kommentare zu Wider geheuchelte Säkularität

Der Vorwurf der Heuchelei, gerichtet an diejenigen, die am Karfreitag zwar tanzen, den Status des Tags als gesetzlicher Feiertag aber belassen wollen, ist dann interessant, wenn er auf die Frage bezogen ist, ob es dem Staat zuzugestehen sei, gesetzliche Feiertage überhaupt festzusetzen. Verbunden sind damit immerhin weitgehende Arbeitsverbote, die man vielleicht mit gutem Grund als letztlich schwerwiegender ansehen könnte, als es das Tanzverbot ist.

Eine andere Form dieses Vorwurfs basiert jedoch auf dem Argument, daß Karfreitag ein christlicher Feiertag sei, an dem sich ungehemmtes Abdancen aufgrund der religiösen Bedeutung des Tags nicht schicke, und daß es somit Heuchelei sei, diesen Feiertag zwar zu wollen, das jedoch in der Absicht, ihn zum Tanzen zu nutzen. Es ist recht interessant, welche Annahmen man benötigt, um den Vorwurf in dieser Form zu rechtfertigen. Das will ich im Folgenden kurz untersuchen.

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Was macht eigentlich...

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...das uns tyrannisierende Gesellschafts-Etwas?

»Ich weiß doch nicht«, wiederholte Wüllersdorf. »Ich mag nicht gerne zu der alten abgestandenen Phrase greifen, aber doch läßt sich's nicht besser sagen: Innstetten, es ruht alles in mir wie in einem Grabe.«

»Ja, Wüllersdorf, so heißt es immer. Aber es gibt keine Verschwiegenheit. Und wenn Sie's wahrmachen und gegen andere die Verschwiegenheit selber sind, so wissen Sie es, und es rettet mich nicht vor Ihnen, daß Sie mir eben Ihre Zustimmung ausgedrückt und mir sogar gesagt haben: ich kann Ihnen in allem folgen. Ich bin, und dabei bleibt es, von diesem Augenblick an ein Gegenstand Ihrer Teilnahme (schon nicht etwas sehr Angenehmes), und jedes Wort, das Sie mich mit meiner Frau wechseln hören, unterliegt Ihrer Kontrolle, Sie mögen wollen oder nicht, und wenn meine Frau von Treue spricht oder, wie Frauen tun, über eine andere zu Gericht sitzt, so weiß ich nicht, wo ich mit meinen Blicken hin soll. Und ereignet sich's gar, daß ich in irgendeiner ganz alltäglichen Beleidigungssache zum Guten rede, »weil ja der dolus fehle« oder so was Ähnliches, so geht ein Lächeln über Ihr Gesicht, oder es zuckt wenigstens darin, und in Ihrer Seele klingt es: 'Der gute Innstetten, er hat doch eine wahre Passion, alle Beleidigungen auf ihren Beleidigungsgehalt chemisch zu untersuchen, und das richtige Quantum Stickstoff findet er nie. Er ist noch nie an einer Sache erstickt.' … Habe ich recht, Wüllersdorf, oder nicht?«

Wüllersdorf war aufgestanden. »Ich finde es furchtbar, daß Sie recht haben, aber Sie haben recht. Ich quäle Sie nicht länger mit meinem 'Muß es sein?'. Die Welt ist einmal, wie sie ist, und die Dinge verlaufen nicht, wie wir wollen, sondern wie die andern wollen. Das mit dem 'Gottesgericht', wie manche hochtrabend versichern, ist freilich ein Unsinn, nichts davon, umgekehrt, unser Ehrenkultus ist ein Götzendienst, aber wir müssen uns ihm unterwerfen, solange der Götze gilt.«
[Theodor Fontane. Effi Briest]

Na, diesen Götzen zumindest sind wir los.

Evolutionsphilosophie

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Philosophers who apply the theory of evolution generally do so in a very simple way. The philosopher picks some capacity that human beings have, a capacity which it is in one way or another useful for human beings to have, and argues that it must have been selected for in the evolutionary process. This use of the theory of evolution is one that many evolutionary biologists find extremely questionable. The working evolutionary biologist does not assume that every useful capacity of a species is the result of selection. A genetic alteration frequently has many different effects. If any one of those effects contributes markedly to the reproductive success of members of the species having that gene, then that new genetic trait will be selected for, and other side effects, provided they are not so negative as to cancel out the benefits of having the new genetic trait, will be carried along. In this way, it can even happen that a trait which does not contribute to the survival potential or the reproductive success of a species, or even one which it would be better for the species not to have, arises through natural selection without itself being selected for. But it can also happen that the trait which is carried along is actually beneficial to the species, although that is not the reason why the trait became universal in the species. In general, the assumption that every change in a species which is beneficial to the species was specifically selected for is rejected in contemporary evolutionary theory. Evolutionists are extremely cautious about saying which capacities and organs and so on were specifically selected for (were “adaptations”) in the evolutionary history of a species and which ones arose serendipitously. Philosophers, however, are not so cautious.

[Hilary Putnam; Renewing Philosophy (Gifford Lectures), Kap. 2]

Diese Art Philosoph nennt sich heute Evolutionspsychologe und ist in Funk und Fernsehen sehr beliebt dafür, daß sie uns die letzten Geheimnisse der menschlichen Art offenbart, indem sie sich Geschichten aus der Steinzeit ausdenkt; oder? Züchtigt mich, wenn ich falsch liege.