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Selbstbewußt auch ohne akademischen Grad: Silvana Koch-Mehrin

Exklusiv: Interview mit Silvana Koch-Mehrin

Exklusiv: Interview mit Silvana Koch-Mehrin published on 5 Kommentare zu Exklusiv: Interview mit Silvana Koch-Mehrin

Vor einer guten Woche erkannte ihr die Heidelberger Universität den Doktorgrad ab, gestern wurde sie vom Europäischen Parlament als Vollmitglied in den Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie entsandt: Silvana Koch-Mehrin hat derzeit viel um die Ohren. Wir freuen uns, daß sie dennoch die Zeit zum Exklusivinterview mit mentalschnupfen.org gefunden hat.

Mentalschnupfen: Frau Koch-Mehrin, am 15. Juni ...

Silvana Koch-Mehrin: Das war ja klar, daß sie darauf gleich zu sprechen kommen würden, ohne auch nur ein Wort über meine neue Frisur zu verlieren.

MS: Die ist nett, aber wir haben sowas schon gesehen.

SKM: Das ist dann die Schuld des Friseurs. Aber gut, stellen sie schon ihre Fragen.

MS: Am 15. Juni hat ihnen die Universität Heidelberg den Doktorgrad aberkannt.

SKM: Das ist richtig, aber ich hätte den ohnehin demnächst abgelegt. Er hat mir nicht mehr gefallen.

MS: Warum denn das?

SKM: Weil ich ihn ja jetzt anscheinend gar nicht erst hätte bekommen dürfen sollen! Und mir ist das zu blöd, wenn die Universität selbst nicht weiß, was sie will, und nach elf Jahren plötzlich alles ganz anders sein soll. Es war dem Prüfungsausschuß doch von Anfang an klar, daß das Ding - auch wenn es unstrittige Forschungsergebnisse beinhaltet - eigentlich Mist ist.

MS: Ihre Dissertation meinen sie?

SKM: Nein, die Doktorarbeit natürlich; wie auch immer. Die wollten mich ja auf Teufel komm raus promovieren. "Gut," habe ich mir damals gedacht, "wenn's halt sein muß". Das sehe ich heute anders.

MS: Sie betrachten sich als Opfer der Universität?

SKM: Natürlich! Plötzlich soll ich Schuld sein an dem, was ich verbockt habe - obwohl die Universität das doch vor elf Jahren so mittelmäßig fand. Sehen Sie, das ist eine der ältesten Universitäten Heidelbergs, wenn nicht sogar Hessens. Und wir wissen heute, die medizinische Wissenschaft hat das herausgefunden: Wer alt wird, wird auch senil. So muß man es sich wohl erklären, daß ich promoviert werden konnte, jetzt aber plötztlich alles nicht wahr gewesen sein soll. Denn ich bitte sie: Bei jemandem wie mir, da guckt man doch zweimal hin, und extra genau. Das hätte denen alles klar sein müssen, was da nicht stimmte - und das war es auch, es steht ja alles auch im Gutachten.

MS: In ihrer Stellungnahme zur Entscheidung der Universität erklären Sie doch selbst, ihnen sei im Prüfungsverfahren niemals der Vorwurf der Täuschung gemacht worden. Vielleicht hat sich der Erkenntnisstand des Promotionsausschusses seit dem Gutachten geändert?

SKM: Ich bitte sie! Das wäre doch ein Armutszeugnis, wenn der Promotionsauschuß einer Universität behaupten wollte, sein 'Erkenntnisstand' habe sich geändert. Sowas gibt es doch gar nicht, eine Änderung des Erkenntnisstands. Kann es nicht geben. Das steht doch im Widerspruch zur Idee der Wissenschaft: Wenn es eine Änderung des Erkenntnisstandes geben könnte, dann könnten wir nichts wissen, denn was gewußt wird, ist auch wahr. Die Möglichkeit einer Änderung des Erkenntnisstandes würde ja dann bedeuten, daß etwas plötzlich nicht mehr wahr sein könnte, das mal wahr war, was aber nicht sein kann. Oder daß es eigentlich immer falsch war, dann aber ja gar nicht gewußt wurde. Dann können sie die Wissenschaft gleich vergessen, weil es gar kein Wissen mehr gibt. Und im Promotionsausschuß, das sind ja auch keine einfachen Idioten, die sich irren könnten, sondern alles gelehrte Leute an einer Universität; oder das sollten sie wenigstens sein. Wenn ich getäuscht hätte, wer hätte es denn wissen sollen, wenn nicht die? Ich kann also gar nicht getäuscht haben.

MS: Das stellte sich auf der Internetseite "VroniPlag" aber teilweise anders dar.

SMK: Wem glauben sie mehr, irgendeiner Internetseite oder dem Heidelberger Promotionsausschuß?

MS: Haben Sie selbst auch Fehler gemacht?

SKM: Klar, ich hätte mich dem Firlefanz von vornherein strikt verweigern sollen.

MS: Und sonst?

SKM: Nein, keine. Wenn mir der Professor Sellin was zugetraut hat, dann sag ich: Selber doof! Habe ich ihm keinen Anlaß für gegeben. Da gibt es nichts zu bereuen, von meiner Seite. Und außerdem bin ich dieser Universität ebensowenig Rechenschaft schuldig wie meinen Wählern.

MS: Schwächen ihrer Arbeit haben sie aber selbst zugegeben...

SKM: Ja, aber das ist doch das Problem der Universität. Wenn sie in einen Müllbeutel kotzen und das einem Professor zur Bewertung vorbeibringen, und der sagt: Das stinkt, ist aber noch annehmbar, wer ist denn dann der Depp?

MS: Sie erwägen aber rechtliche Schritte gegen die Aberkennung ihres akademischen Grades?

SKM: Das ist ja prinzipiell nie verkehrt, wenn man das Geld dazu hat.

MS: Gestern wurden sie vom Plenum des Europäischen Parlaments als Vollmitglied in den Ausschuss für Industrie, Forschung und Energie entsandt. Kommt das, vor dem Hintergrund ihrer eigenen Forschungsleistungen, nicht mit einer gewissen, wie man im angelsächsischen Sprachraum sagen würde, Ironie daher?

SKM: Ironie? Mit Kerntechnik kenne ich mich nicht aus. Angeln ist langweilig und die sächsische Sprache finde ich ganz furchtbar, der schlimmste deutsche Dialekt. Auch bin ich im Ausschuß nicht für die Forschung zuständig sondern für Digital Agenda, Informationstechnologie, Telekommunikation und Internet. Damit kenne ich mich ganz gut aus, ich nutze beispielsweise regelmäßig Email und ICQ. Philipp hat mir zum Beispiel über ICQ zu meiner Wahl gratuliert! Sofern ich aber in meiner neuen Funktion Einfluß auf die Forschung nehmen kann, werde ich diese Möglichkeit selbstverständlich nutzen, um der Universität Heidelberg das Handwerk zu legen. Es soll anderen nicht genauso gehen wie mir, dafür will ich sorgen. Da bin ich ganz atavistisch, wie immer!

MS: Karl-Theodor zu Guttenberg ist einige Zeit nach dem Bekanntwerden ähnlicher Vorwürfe von seinem Amt als Bundesverteidigungsminister zurückgetreten. Wäre das für sie langfristig auch eine Option, was ihr Amt als Abgeordnete betrifft?

SKM: Nein. Sehen sie, man kann zu Guttenberg nur verstehen, wenn man einen Sinn fürs Tragische hat: Der wollte sich selbst ganz klassisch als Tragödienhelden inszenieren und hat das auch ganz gut gemacht. Der Fall des Helden gehört natürlich dazu, und nur so kann man erklären, daß er zurückgetreten ist, obwohl von der Kanzlerin bis zum Volk alle hinter ihm standen. Aber damit der Fall des Helden richtig wirkt, braucht es natürlich die nötige Fallhöhe; die war bei zu Guttenberg als adeligem Liebling des Volkes enorm, ist bei mir aber durch die Körpergröße begrenzt. Ein Rücktritt meinerseits hätte also keinerlei ästhetischen Wert, und wenn, dann wäre es mir auch egal - so feingeistig wie zu Guttenberg bin ich nicht.

MS: Frau Koch-Mehrin, wir danken ihnen für das Gespräch.

(Bildquelle: Muffinmampfer/Wikimedia Commons/cc by 3.0. Veränderung von mir, ebenfalls cc by 3.0. ; Hinweis: Das obenstehende Interview hat so oder so ähnlich nie stattgefunden.)

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