Im Kommentarbereich des Sprachlogs, das der Bremer Professor für Sprachwissenschaft Anatol Stefanowitsch betreibt, ging heute ein bemerkenswerter Kommentar ein:
Wer Stafanowitsch [sic] heißt, dem ist doch der Zustand der deutschen Sprache völlige [sic] egal. Dafür gibt der Herr Stefanowitsch hier ein gutes Beispiel.
Doswidania
Der Kommentator nannte sich Hans Jürgen Lietz, und just ein Germanist und Politikwissenschaftler dieses Namens ist Regionalleiter der Region Hannover im Verein Deutsche Sprache. Eine Meinung hat er auch, und zwar: "Persönlichkeit entsteht durch die Liebe zur Muttersprache."
Ich wollte nun nicht einfach als gegeben hinnehmen, daß es mit Lietzens durch beharrliches Lieben der Muttersprache doch sicherlich wunderschön geformter Persönlichkeit vereinbar sein sollte, allein auf der Grundlage des Nachnamens einer Person deren Einstellung zur deutschen Sprache zu deduzieren, zudem in offenbar durchaus abwertend gemeinter Weise. Um mir Gewißheit zu verschaffen, schrieb ich Herrn Lietz an.
Sehr geehrter Herr Lietz,
um 11:49 am heutigen Tag kommentierte jemand auf dem Blog des Bremer Professors für Sprachwissenschaft Anatol Stefanowitsch dessen Beitrag "Unterwegs" mit den folgenden Worten:
"Wer Stafanowitsch heißt, dem ist doch der Zustand der deutschen Sprache völlige egal. Dafür gibt der Herr Stefanowitsch hier ein gutes Beispiel.
Doswidania"
Ich gehe nicht davon aus, daß sie selbst sich in dieser etwas
befremdlichen Weise äußern würden. Vielmehr nehme ich an, daß sich jemand unter ihrem Namen einen schlechten Scherz erlaubt hat. Darauf möchte ich sie hinweisen, damit sie die Möglichkeit haben, diese Aussage als nicht von Ihnen stammend zu kennzeichnen.Mit freundlichen Grüßen,
David Lahm
Ich erhielt auch bald eine Antwort. Da es Zweck meiner E-mail war, Herrn Lietz über einen vielleicht böswillig unter seinem Namen veröffentlichten Kommentar in Kenntnis zu setzen und ihm somit die Möglichkeit zu einer Stellungnahme zu bieten, betrachte ich diese E-mail auch als Stellungnahme und mache sie öffentlich:
Sehr geehrter Herr Lahm!
Sie sind zwar ein begnadeter Fussballspieler, [bin ich nicht; D.L.] aber von der deutschen Sprache wenig angetan.
Denglisch ist die Sprache des geistigen Prekariats, wenn Sie diese sprache [sic] gutfinden [sic], dann gute Nacht Deutschanld [sic]. Dies [sic] genaue Sprache hat uns immerhin zum Exportweltmeister gemacht. Das Anglo-Sprech in die Bankenpleite, [sic] wenn Ihnen das alles wurscht ist, dann habe ich Ihnen nichts mehr zu sagen.
Das hat nun mit meiner E-mail gar nichts zu tun, sagt aber dennoch sehr viel aus.
9 Kommentare
Dann war ja wohl ein Geständnis. Obwohl seine eigene Liebe zur Sprache wohl nicht ausreicht, um über sein geschriebenes Wort noch mal drüberzuschauen. Schade, das. Aber hat mich doch sehr erheitert diese Episode.
Die Antwort wirkt zu komisch als das sie echt sein könnte.
Wie kann es sein, dass jemand, der die deutsche Sprache schützen will, sie schlechter beherrscht als ich?
Das ist eine merkwürdige Welt in der wir leben müssen.
Die antwort ist echt.
Unglaublich, was sich für Gestalten in diesem Verein tummeln. Danke fürs Nachfragen und für die Geschichte.
Ich bin ja auch Mitglied in diesem Verein da (vor allem wegen des mir aus einem früheren Leben bekannten Walter Krämer, aber auch ein wenig wegen meiner Denglisch-Aversion), aber ich überlege mindestens nach jeder zweiten Ausgabe des Vereinsblatts, wieder auszutreten.
Das Problem ist: Der Verein lockt - neben durchaus honorigen Leuten - nicht nur geistige Blockwarte an, sondern auch Menschen sehr eindeutiger Gesinnung, für die z.B. das Denglisch das Ergebnis einer Verschwörung der Ostküste darstellt. Ich habe mal meine Karlsruher Sektion bei ihrer regelmäßigen Versammlung besucht und dort zum Glück neben einem insgesamt Vernünftigen nur hartnäckige Rentner gefunden, denen das Anschreiben von "Sprachsündern" offensichtlich besser gefällt als das Aufschreiben von "Parksündern", aber keine derartig zweifelhaften Gestalten.
Ist Germanist und liest vor dem Abschicken von Kommentaren nicht noch mal drüber, um wenigstens das Gröbste auszubügeln? Schreibfehler: ok, man ist ja hartgesotten mittlerweile, aber Flexionsfehler? Mein Spinnensinn sagt mir: mit dem Mann stimmt irgendwas nicht.
[...] Man könnte dies nun einfach für einen schlechten Scherz auf Kosten des VDS halten, jedoch hat David Lahm bei Hans Jürgen Lietz angefragt und eine Antwort erhalten, die nichts aussagt… und damit aber insbesondere auch [...]
Das ist ja unglaublich... Und Ihr sehr freundliches Anschreiben zwecks einer Klärung eines unterirdischen Kommentars ein besseres Statement (oh, Entschuldigung - ein besseres Bekenntnis) bezüglich der deutschen Sprache als die buchstäblich Beschimpfungen des VDS-Herrn L. So was... *Kopfschütteln*
Unglaublich, was sich für Gestalten in diesem Verein tummeln. Danke fürs Nachfragen und für die Geschichte.