Jemand aus Brighton hat Marcel Reich-Ranicki gefragt:
Im vergangenen Jahr wurden in London zwei Dramen von Schiller aufgeführt: „Don Carlos” und „Maria Stuart”. Ich habe bei Schiller keinen Humor gefunden. Jenes Lachen und Weinen, das bei Shakespeare vorkommt, gibt es bei ihm nicht. Habe ich recht?
Reich-Ranicki antwortet:
In Schillers Dramen findet sich in der Tat nur wenig Humor - etwa in „Kabale und Liebe” oder im „Wallenstein”. Das mag bedauerlich sein, aber dennoch ist er einer der großen europäischen Bühnenautoren.
Vorher jedoch widerlegt er die These, daß die deutsche Literatur insgesamt humorlos sei. Interessant zu lesen.
Diese Ausführungen haben uns wieder an eine interessante Unterscheidung erinnert, nämlich an die zwischen Witz und Humor, wie sie Ambrose Bierce im Vorwort zum Devil's Dictionary andeutet:
Meantime, too, some of the enterprising humorists of the country had helped themselves to such parts of the work as served their needs, and many of its definitions, anecdotes, phrases and so forth, had become more or less current in popular speech. This explanation is made, not with any pride of priority in trifles, but in simple denial of possible charges of plagiarism, which is no trifle. In merely resuming his own the author hopes to be held guiltless by those to whom the work is addressed -- enlightened souls who prefer dry wines to sweet, sense to sentiment, wit to humor and clean English to slang.
Auch Reich-Ranicki verwendet diese beiden Begriffe, unterscheidet ihre Bedeutungen aber offenbar nicht scharf. Ob eine scharfe Unterscheidung überhaupt möglich (und die direkte Übernahme der Begriffe aus dem Englischen gerechtfertigt) ist, sei hier dahingestellt. Daß das Devil's Dictionary maßgeblich von Witz geprägt ist, nehmen wir als gegeben an, wobei von Witz geprägt nicht notwendigerweise mit witzig gleichgesetzt werden sollte, wenn auch beides durchaus zusammentreffen kann. Zum Witz gehört unserem Verständnis nach in erster Linie das, was man gemeinhin als 'Schlagfertigkeit' bezeichnen würde, allerdings nicht eingeschränkt auf spontane Kontexte, also lebendige Dialoge; eine Schlagfertigkeit somit, die auch im Geschriebenen ihren Sinn beibehält, also als solche erkennbar bleibt. Wunderschöne Beispiele für das, was wir als Witz gelten lassen würden, finden sich beispielsweise in einigen Anekdoten um Winston S. Churchill, wie etwa dieser hier (auf beiden Seiten):
George Bernard Shaw in einem Telegramm an Churchill: Habe Ihnen zwei Karten für die Premiere meines neuen Stückes reserviert. Bringen Sie einen Freund mit, falls Sie einen haben.
Churchills Telegramm an Shaw: Bin an diesem Termin leider verhindert. Komme zur zweiten Vorstellung, falls es noch eine gibt.
Oder natürlich die bekannte Anekdote von der Frau, die Churchill im Rahmen einer Feier vorwarf: "Sie sind ja betrunken!" Woraufhin dieser erwiderte: "Und Sie sind häßlich; aber ich bin morgen wieder nüchtern."
Und Humor? Was wären Beispiele für Humor? Wir beschrieben den Charakter von Humor einmal als "gemütlich-bayrisch ins-Bierzelt-scheißend." Die Geisteshaltung von Karnevalisten ist vielleicht auch ein gutes Beispiel.
Vielleicht ist unser Bild von Humor auch einfach zu negativ.
3 Kommentare
"Sir, if you were my husband, I would poison your drink." - "Madam, if you were my wife, I would drink it."
Angeblicher Austausch zwischen Winston Churchill und Lady Astor. Ist mein Lieblingsbeispiel für Churchills verbale Schlagfertigkeit.
Ja, auf den bin ich kurz nach Verfassen des Beitrages auch gestoßen.
Und dabei immer 'ne dicke Zigarre im Mund. Fein das...