Skip to content

Grenzenloses Vertrauen und ausgemachter Blödsinn

Grenzenloses Vertrauen und ausgemachter Blödsinn published on Keine Kommentare zu Grenzenloses Vertrauen und ausgemachter Blödsinn

"Die Bundestagsabgeordneten Werner Schulz (Grüne) und Jelena Hoffmann (SPD) zeigten sich dagegen enttäuscht darüber, daß ihre Klagen abgewiesen wurden. Das Gericht habe dem Bundeskanzler ein Auflösungsrecht geschaffen, mit dem der Kanzler alleine auf Grund seines Mißtrauens das Parlament auflösen könne, sagte Schulz nach der Urteilsverkündung. Die Abgeordneten müßten jetzt wieder um ihre Rechte kämpfen, um 'den Weg in eine Kanzlerdemokratie' zu verhindern.

Ähnlich äußerte sich Hoffmann. ';Ab heute regiert die Republik der Kanzler und nicht das Parlament';, sagte die SPD-Politikerin in Karlsruhe."
[FAZ.NET]

Das Bundesverfassungsgericht hat entschieden, am 18. September wird gewählt, und wiedereinmal ziehen dunkle Wolken auf. Werner Schulz und Jelena Hoffmann neigen ihre Häupter in Sorge, das Ende der deutschen Demokratie ebenso wie den möglichen Verlust ihres gemütlichen Stühlchens im Reichstag bejammernd. Und wenn einem der Arsch derart auf Grundeis geht, dann sagt man auch schonmal ziemlich dumme Sachen. Zum Beispiel fängt man an, von einem "Auflösungsrecht" zu faseln, das der Bundeskanzler nun erhalten habe, und das es ihm erlaube - Obacht! - "alleine auf Grund seines Mißtrauens" das Parlament aufzulösen. Es ist schon erstaunlich, wie viel offensichtlichen Unsinn Werner Schulz mit so wenig Worten auszudrücken vermag: Es ist nämlich zum Ersten kein Auflösungsrecht für den Kanzler geschaffen worden; das besitzt alleine der Bundespräsident, und nur unter bestimmten Voraussetzungen - so, wie es seit fast sechs Jahrzehnten im Grundgesetz festgelegt ist. Und zum Zweiten - seien wir pingelig - ist das Mißtrauen des Kanzlers keinesfalls ein Grund für die Auflösungsentscheidung, sondern nur das Mißtrauen des Parlamentes, und genau das hat Schröder ja schließlich am 1. Juli ausgesprochen bekommen. Natürlich nicht von Werner Schulz und Jelena Hoffmann; die beiden hatten ein geradezu endloses Vertrauen in den Kanzler, weil er für sie ja schließlich der Garant für die angenehme Beschäftigungstherapie in Berlin war. Jetzt wollten sie sich vom Bundesverfassungsgericht bestätigen lassen, daß sie mit ihrem Vertrauen Recht hatten.
Aber ein Parlament funktioniert nun einmal demokratisch und ist nicht zwingend an die Meinungen von Schulz und Hoffmann gebunden. Es war das Parlament, das sich letztlich bereit erklärt hat, dem Kanzler das Vertrauen abzusprechen und dadurch den Weg zu seiner Auflösung frei gemacht hat. Und es war Bundespräsident Köhler, der die Auflösung beschlossen hat: Nach wie vor bestehen also zwei Hürden, die ein Kanzler nehmen muß, wenn Neuwahlen möglich werden sollen. Über die Bewertung der letzten Vertrauensfrage kann man sicherlich unterschiedlicher Meinung sein, aber wer jetzt eine alleinige Entscheidungsgewalt des Kanzlers zu erkennen meint, der kann nicht denken oder verwechselt Ursache und Wirkung: Warum hat denn das Parlament dem Kanzler das Vertrauen entzogen? Doch nur auf seine Bitte hin. Der hätte es nicht nachzukommen brauchen.
Und daß jetzt der Kanzler und nicht das Parlament die Republik regiere, wie Frau Hoffmann behauptet, ist doch eigentlich erfreulich; es stellt sich damit nur die beunruhigende Frage, was die deutschen Regierungschefs bisher immer getan haben.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Diese Website verwendet Akismet, um Spam zu reduzieren. Erfahre mehr darüber, wie deine Kommentardaten verarbeitet werden.