Gerhard Stadelmeier, ein Kulturkritiker der FAZ, gibt in der Süddeutschen Folgendes zu Protokoll:
SZ: Der Vorfall scheint Ihnen sehr zugesetzt zu haben.
Gerhard Stadelmaier: Es ist, als sei jemand in Ihre Wohnung eingebrochen. Ihre Briefe und Kleider sind durchwühlt, die Wände beschmutzt. Der materielle Schaden hält sich in Grenzen, aber der immaterielle Schaden, das Gefühl des Ausgeliefert-Seins, ist enorm. Ich habe mich noch nie so gedemütigt gefühlt.
[SZ via Indiskretion Ehrensache]
"Was ist denn da wohl vorgefallen?" Ist man geneigt zu fragen. Hat man Herrn Stadelmeier:
a) Auf offener Straße seiner Krawattennadel beraubt?
b) Auf offener Straße unsittlich penetriert?
c) Im Theater seinen Notizblock weggenommen?
Da kommt natürlich nur c) infrage:
Bei der Premiere im Werkraumtheater der Städtischen Bühnen wurde das Stück „Das große Massakerspiel oder Triumph des Todes“ von Eugéne Ionesco aufgeführt. Theaterkritiker Stadelmaier hatte sich nach eigener Darstellung während der Aufführung kurz mit einem Kollegen unterhalten und dabei leise gelacht. Daraufhin habe ihn der Schauspieler angesprochen und ihm nach einem kurzen Wortgefecht mit den Worten „Mal sehen, was der Kerl geschrieben hat“ seinen Block entrissen. Lawinky habe aber anscheinend seine Schrift nicht lesen können und ihm den Block wieder gegeben. Er -Stadelmaier - sei daraufhin gegangen. Der Schauspieler habe ihm Beleidigungen hinterher gerufen.
[DPA via Indiskretion Ehrensache]
"Ja fein", ist man da geneigt zu rufen, "das ist doch toll, wenn im Theater mal sowas passiert", und allerlei theaterwissenschaftliche Rechtfertigungen dafür anzuführen, was hier unterbleiben soll, denn immerhin hat Stadelmeier der Vorfall "ganz schön weh getan".
Um seinem tiefen Schmerz auch angemessen Nachdruck zu verleihen, stellt Stadelmeier sein privates Ausgeliefertsein aber auch noch als Penetration der Pressefreiheit dar, denn: "Wenn man mir meinen Notizblock entreißt, nimmt man mir nicht nur das Handwerkszeug, sondern man macht es mir unmöglich, über den Abend zu schreiben."
Aber, lieber Herr Stadelmeier, so wie es gelaufen ist können sie über den Abend sogar der Süddeutschen ein Interview erteilen und einen Schauspieler als Schwerverbrecher darstellen! Was könnte ein Kritiker denn jemals mehr wollen?
Satisfaktion!
SZ: Nicht nur Frau Schweeger [die Intendantin des Frankfurter Schauspiels], auch Lawinky hat sich bei Ihnen entschuldigt. Ist das nicht Satisfaktion genug?
Stadelmaier: Er hat sich entschuldigt, akzeptiere ich. Aber wenn ich jemanden umbringe und mich hinterher entschuldige, komme ich trotzdem ins Gefängnis. So ist das Gesetz. Ich habe die Kündigung nicht gefordert. Es ist eine Entscheidung des Hauses, die ich allerdings begrüße. Der Vorfall ist eine Ungeheuerlichkeit und verletzt den Grundlagenvertrag des Theaters. Frau Schweeger sieht das genau so. Sie hat den Schauspieler ja nicht auf meinen Druck hin entlassen.
Hauptsache, der gemeine Kerl ist weit, weit weg von Frankfurt. Bevor der noch wenn umbringt, man kann ja nie wissen, unberechenbar, diese Theaternarren!
Was kann man aus der Geschichte lernen? Zum einen, daß es inzwischen schon nötig ist, Kritiker körperlich anzugehen, um einen 'Theaterskandal' zu erzeugen. Zum anderen, daß sich ein alter Hut neu bestätigt, nämlich: Daß Kritiker meist das kritisieren, woran sie selbst gescheitert sind, Kunst, Musik, Theater etc.; und daß Gerhard Stadelmeier jetzt etwas nachgeholt und die Gelegenheit wahrgenommen hat, die Rolle seines Lebens zu spielen.
"Mann oder FAZ-Feuilletonist?" fragt Thomas Knüwer.
Ein Kommentar
Der macht sich ja lächerlich. so zu tun als ob er Opfer eines Gewaltverbrechens geworden ist. Sicherlich ist es kein schönes Erlebnis als Theaterkritiker mitten während der Vorstellung von einem Schauspieler geweckt zu werden, aber dann so einen Aufstand daraus zu machen ist lachhaft!